"Frauenfußball erreicht neue und andere Zielgruppen als der Männerfußball"
In Teil 2 unseres großen Interview-Specials rund um SPORTFIVE's Engagement im Frauenfußball spricht Stefan Heitfeld, Senior Vice President Regional & Team Sales bei SPORTFIVE Germany, über die Gründe, warum Frauenfußball so interessant für Marken ist, welche Unterschiede es zwischen Männer- und Frauenfußball gibt und wie Vereine von ihren Frauenteams besonders profitieren können.
In diesem Insight:
Herr Heitfeld, in Ihrem Geschäftsfeld Sponsoring-Vertrieb befassen Sie sich täglich mit der Rechtevermarktung von Verbänden und Vereinen. Inwiefern arbeiten Sie dort bereits im Frauensport?
Wie Hendrik Schiphorst bereits erwähnte, vermarkten wir ja heute schon unter anderem 12 Frauenfußball-Teams in Deutschland exklusiv - darunter die Frauenmannschaften von Bayer Leverkusen, VfB Stuttgart, HSV, Hertha BSC, BVB oder Schalke 04. Darüber hinaus arbeiten wir national exklusiv auch mit diversen Verbänden wie den Frauennationalmannschaften des DFB (Hospitality) sowie des DBB und DHB (Sponsoring) zusammen sowie international neben insb. Olympique Lyon, der US-amerikanischen NWSL, der UEFA und der IHF auch mit dem US Frauennationalteam und verschiedenen Teams in England.
Das wird komplettiert durch unser Athlete Management Team, welches bereits diverse tolle Sponsoring-Partnerschaften mit Fußball-Nationalspielerinnen wie Laura Freigang, Giulia Gwinn oder Sam Kerr und Megan Rapinoe, aber auch mit der Leichtathletin Alica Schmidt oder der Hockey-Nationalspielerin Nike Lorenz abgeschlossen hat.
Haben wir früher noch häufiger gesehen, dass Brands eigentlich in das Männerteam eines Rechtehalters investieren wollen, und das jeweilige Frauenteam „dann einfach mit gemacht haben“, sehen wir heute immer mehr spezifische Investitionen von Werbetreibenden explizit in die Frauenteams. Und das wird aus unserer Sicht immer weiter zunehmen, weil man hier als Werbetreibender noch mal etwas andere Storys an andere Zielgruppen und Familien als im Männerfußball erzählen kann.
Haben wir früher noch häufiger gesehen, dass Brands eigentlich in das Männerteam eines Rechtehalters investieren wollen, und das jeweilige Frauenteam dann "einfach mit gemacht haben“, sehen wir heute immer mehr spezifische Investitionen von Werbetreibenden explizit in die Frauenteams.
Stefan Heitfeld
Wie spiegelt sich diese Entwicklung in den internationalen Vertriebsstrukturen von SPORTFIVE wider?
Aufgrund dieser zusätzlichen Vermarktungsmöglichkeiten sowie der individuellen Vielfalt der verschiedenen Rechtehalter und des enormen Wachstums des Marktes sind wir sehr froh, dass wir das klare Commitment der Geschäftsführung erhalten haben, eine eigene Frauenfußball Sales Unit in Deutschland unter der Leitung von Jessica Stommel aufzubauen. Dieses Team soll sich vollständig diesem Thema widmen und es kontinuierlich ausbauen. Dabei wird es durch unser gesamtes Sales- und Aktivierungs-Netzwerk in Deutschland unterstützt. Zudem profitieren wir natürlich auch sehr vom globalen Austausch mit den anderen SPORTFIVE-Ländermärkten und dem globalen Kompetenz-Center „Women Football“. Hier sind uns insb. unsere Kolleginnen und Kollegen aus UK, USA und Frankreich schon etwas voraus bzgl. Vertriebs-Know-How im Sponsoring und können uns gerade im Produkt- und Paketaufbau bei Rechtehaltern noch sehr helfen.
Welche Gründe sehen Sie für das steigende Interesse an Frauenfußball bei Brands?
Als Hauptargument nehmen wir schon wahr, dass Marken mit Hilfe von Frauensport und speziell Frauenfußball einige Zielgruppen besser und nativer erreichen können, welche sie über den Männerfußball vielleicht nicht mehr in dem Maße bekommen. Beispielsweise war das eins der treibenden Argumente von Clarins, mit den BVB Frauen als Trikotpartner in den Fußball einzusteigen, aber auch für das Engagement von Kellogg’s bei den DBB-Frauen oder Wiesenhof bei den DFB-Frauen. Diese Partnerschaften konnten wir alle mit auf den Weg bringen.
Darüber hinaus haben viele Unternehmen CSR-Ziele in ihrer Strategie stehen, die sie erfüllen wollen. Innerhalb des Frauenfußballs gibt es dafür zahlreiche Möglichkeiten, bspw. mit Blick auf das SDG 5 unter den Nachhaltigkeitszielen (Gender Equality) etwas authentischer umzusetzen als wahrscheinlich im Männerfußball. Auch im Rahmen von Employer Branding bzw. Recruiting und Retention von Frauen kann es durchaus hilfreich sein, wenn man als Werbetreibender den Frauenfußball unterstützt. Und es gibt einige Produktkategorien mit bspw. frauenspezifischen Produkten, die sich natürlich viel glaubwürdiger inszenieren lassen auf Frauensportplattformen als bei den Männern. Einfach, weil sie sich ausschließlich an die Zielgruppe Frauen richten.
Gibt es Unterschiede bei der Zusammenarbeit mit Profi-Sportlern oder -Sportlerinnen mit Marken?
Wir haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass Athletinnen als Markenrepräsentantin oft als etwas erfrischender und nahbarer von Konsumenten empfunden werden als manche ihrer männlichen Kollegen. Das wird auch von unseren regelmäßig selbst durchgeführten Umfragen zur Beurteilung der durch uns vermittelten Partnerschaften untermauert. Auch in der gemeinsamen Umsetzung von Kampagnen bzw. Aktivierung von Partnerschaften bestätigt sich in der Zusammenarbeit mit Frauensport-Testimonials vielfach, dass diese etwas offener, flexibler und individueller bei bspw. Media-Days oder gemeinsamen Social-Media-Contentproduktionen sind. Wahrscheinlich auch, weil sie größtenteils schlichtweg noch kaum Werbepartner haben. Dieses Unkomplizierte macht Spaß und hilft enorm bei kreativen Kampagnen und authentischem Storytelling.
Welche Vorteile bringt ein Sponsoring im Frauenfußball noch mit sich?
Im Frauenfußball gilt nach wie vor noch der „First-Mover-“ bzw. „Own-Your-Sports-Aspekt“: Während in vielen Sportarten bereits diverse Unternehmen aus ein und derselben Industrie über mehrere Rechtehalter vertreten sind, ist das im Frauenfußball nur sehr selektiv der Fall. Entsprechend kann ein Werbetreibender immer noch mit einem größeren bzw. einem Multi-Club Engagement „den Frauenfußball als Ganzes“ kommunikativ besetzen und nicht nur einen einzelnen Club oder Verband. Gerade die „First Mover-Initiative“ wird von außen i.d.R. als sehr innovativ und progressiv wahrgenommen. Man steht dann schnell durch ein einzelnes Engagement bei einem Rechtehalter als Förderer einer ganzen Sportart dar. Und das noch zu einem im Vergleich bspw. zum Männerfußball noch sehr machbaren Preis für ein Sponsoring-Paket.
Herr Schiphorst hatte zudem erwähnt, dass die Wahrnehmung von Frauenfußball sich von der des Männerfußballs unterscheidet. Können Sie darauf nochmal eingehen?
Gerne. Unsere GWI-Studien sowie jüngste Befragungen von DFB und UEFA zeigen klar, dass Frauenfußball generell ein sehr positives Image hat und mit einigen sehr zeitgeistorientierten Werten assoziiert wird: Familienfreundlichkeit, Nahbarkeit, sichere Stadionatmosphäre, Inklusion, Inspiration oder Diversität. Zudem herrscht dort in der Fan-Szene – in etwa wie im Esports und Gaming – noch eine etwas offenere Stimmung gegenüber Sponsoren, weil diese eben noch vielfach als Enabler gesehen werden. In den oben genannten Erhebungen konnte zudem eine Art „Reverse-Effekt“ festgestellt werden: es wird häufig von größeren Teilen der Fanbase eines Vereines – auch aus der Ultra-Szene – goutiert, wenn sich insb. die Sponsoren der Männermannschaften auch im jeweiligen Frauenteam des Vereins engagieren. Dadurch werden nicht nur neue Fans des Vereins für den Werbetreibenden durch das Frauenteam angesprochen. Vielmehr verbessert sich auch häufig die Wahrnehmung der Vereins-Fans des bestehenden Engagements bei den Männern. Idealerweise schafft es ein Verein aus Vermarktungssicht, dass seine ersten Mannschaften im Männer- und Frauenbereich jeweils unterschiedliche Positionierungen unter einer gemeinsamen Dachmarke (dem Verein) entwickeln, mit der man durchaus unterschiedliche Zielgruppen ansprechen kann, die sich aber gegenseitig synergetisch weiter verstärken. Speziell Arsenal und Olympique Lyon machen uns das auf internationaler Ebene vor.
Gleichwohl zeigen die Studien-Daten auch eindeutig: Frauenfußball interessiert viele Menschen, die vorher noch nicht viel oder manchmal auch nicht mehr so viel mit Fußball generell zu tun hatten. Für jeden dritten Frauenfußball-Fan ist diese Plattform sozusagen das (Wieder-)Einstiegsprodukt in die Welt des Fußballs. Daran sieht man, dass der Frauenfußball manche Zielgruppen ansprechen kann, die der Männerfußball nicht mehr so stark erreicht wie vielleicht früher. Das sind zwar im Vergleich zum Männerfußball immer noch absolut deutlich kleinere Zahlen. Aber wir sehen das auch nicht als Konkurrenzprodukt, sondern als zwei tolle, eigenständige Werbeplattformen, die man als Sponsor auch mit einem Rechtehalter als „Brücke“ wunderbar miteinander kombinieren kann.
Idealerweise schafft es ein Verein aus Vermarktungssicht, dass seine ersten Mannschaften im Männer- und Frauenbereich jeweils unterschiedliche Positionierungen unter der gemeinsamen Vereins-Dachmarke entwickeln, mit der man unterschiedliche Zielgruppen ansprechen kann, die sich aber gegenseitig weiter verstärken.
Stefan Heitfeld
Können Sie auch in Ihren Umsatzzahlen feststellen, dass das Interesse an Frauenfußball steigt?
Das können wir definitiv. Hier sind die BVB Frauen das beste Beispiel. Innerhalb von zwei Jahren hat sich das Sponsoring-Volumen dort mehr als vervierfacht. Natürlich sind diese Zahlen noch weit entfernt von den Umsätzen der BVB Männer, aber im Wachstum dennoch enorm. Speziell wenn man bedenkt, dass die Frauen letzte Saison noch in der Landesliga (5. Liga) gespielt haben. Dadurch zeigt sich, dass die Reichweite eben nicht das alleinig Relevante bei einer Entscheidung über ein Sponsoring sein kann. Sondern dass es vielen Brands auch um Zugang zu Content und Storytelling geht. Und da ist der Frauenfußball eine super Werbeplattform mit durchaus einzigartigen Geschichten. So gibt es bspw. diese Saison nur ein größeres Derby zwischen dem BVB und Schalke 04: nämlich im Frauenfußball und das steigt erstmalig am 27.10. auf Schalke. Wir hoffen sehr, dass wir alle dieses Spiel in der Veltins-Arena ansehen können. Da wird es viele Möglichkeiten um dieses Event geben, spannende Inhalte mit den Partnern der Vereine zu erzählen und den Frauenfußball dadurch auch noch mal weiterzubringen.
ca. 60 %
der Frauenfußball-Fans sind weiblich (Quelle: Two Circles Studie)
1/3
aller Frauenfußball-Fans hat sich vorher nicht oder nicht mehr für Fußball interessiert (Quelle GlobalData 2024)
+ 300 %
Wachstum des Sponsoring-Volumen bei den BVB Frauen innerhalb von zwei Jahren
Gibt es unter den zahlreichen Deals, die Sie bereits erwähnt haben, auch einen Favoriten?
Einen absoluten Favoriten kann und will ich nicht nennen. Dafür waren und sind viele unserer Deals einfach zu unterschiedlich. Ein Beispiel, das mir aber besonders in Erinnerung geblieben ist, ist der von uns vermittelte "Partner innen"-Case zwischen Deloitte und dem Frauenfußballteam des HSV. Im Rahmen dieser Sponsoring-Partnerschaft wurde bewusst das Partnerlogo von Deloitte zusammen mit gemeinsamen Werten von Deloitte und dem HSV wie „Mut“, „Rückhalt“ oder „Vielfalt“ auf der Innenseite des HSV-Trikots der Frauen platziert. Diese versteckte Werbung wurde von einer großen Social Media Kampagne begleitet und sollte die größtenteils nach wie vor mangelnde Sichtbarkeit der Spielerinnen im Leistungssport symbolisieren. Gemessen an den Kosten war das medial ein unfassbarer Erfolg für Deloitte und den HSV und hat beiden Partnern enorm viel medialen Applaus gebracht. Diese Partnerschaft wurde sogar als absoluter Best Case bei den OMR 2024 von Philipp Westermeyer auf der größtmöglichen Marketing-Bühne in Deutschland geadelt. Ein toller Erfolg und noch mal herzlichen Glückwunsch für diese tolle Idee und die sensationelle Aktivierung an Deloitte und den HSV.
Vielen Dank für das Gespräch, Stefan Heitfeld!
Teil 3 des Interviews mit Karsten Bentlage über Markenaktivierungen im Frauenfußball folgt in Kürze.
Teil 1 finden Sie hier.
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